Wenn aus einem Ehrenamt Freundschaft wird

Reportage zum Tag des Ehrenamtes

Maria Siepelt und David beim gemeinsamen Spaziergang im Wald.

„Für mich ist es der schönste Moment, wenn ich merke, dass den Beteiligten gar nicht mehr klar ist, dass es sich um eine Leistung handelt, die von der Pflegekasse bezahlt wird.“ So fasst Honorata Martinus das Engagement des Familienunterstützenden Dienstes (FUD) zusammen.  Der FUD ist Bestandteil der Offenen Behindertenarbeit (OBA) der Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V..

Einblick zum Tag des Ehrenamtes

Zum Tag des Ehrenamtes am 05.12. möchten wir einen Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten der Ehrenamtlichen geben. Der FUD begleitet Familien und deren Angehörige jeden Alters.

Honorata Martinus kann in ihrer Arbeit auf 85 ehrenamtliche Helfer*innen zurückgreifen, derzeit arbeiten von diesen aber nur 15, denn viele gehören zu einer Risikogruppe. Die Anfragen aus den Familien für den FUD steigen aber stetig an. Jeden Tag kommt eine neue Familie hinzu, die gerne von der Lebenshilfe im FUD begleitet werden möchte.

Wie sieht die ehrenamtliche Tätigkeit bei der OBA aus?

Gerne sprechen die Helfer*innen von einer „Freizeitbegleitung“, nicht die amtsdeutschen Wörter wie Assistenz, Unterstützung oder Hilfe soll im Vordergrund stehen, sondern die Begleitung in einer selbstbestimmten Freizeit. Fast alle Ehrenamtlichen eint, dass sie ihre ersten Einsätze im Bereich der OBA hatten, um dort bei Freizeiten, Ausflügen oder VHS-Kursen als zweite Kraft zu unterstützen. Im Laufe der Tätigkeit findet dann jeder seinen Bereich, der ihm am Meisten liegt.

Gisela Oertel kam über eine Gruppenassistenz zur Leitung eigener VHS-Kurse. Zusätzlich ist sie auch im FUD tätig. Dort begleitet sie ein 26-jähriges Mädchen mit Trisomie 21. Am liebsten gehen sie gemeinsam shoppen. Jedoch ist die Begleitung des Mädchens viel mehr als nur ein Ehrenamt, Gisela Oertel ist in der Familie integriert, wird zu Geburtstagen eingeladen und fühlt sich dort richtig wohl. Die Zeit ohne ehrenamtliche Einsätze durch die Corona-Pandemie machen Gisela Oertel zu schaffen, ihr fehlt der strukturierte Alltag, die Aufgabe sich für die Kurse vorzubereiten und die Ausflüge mit den Gruppen.

Verena Amann und Jonas auf dem Spielplatz – zusammen entscheiden sie, was in der gemeinsamen Zeit gemacht wird.

Wenn aus Leistung Freundschaft wird.

Verena Amann  begann während ihrer schulischen Ausbildung zur Ergotherapeutin mit der ehrenamtlichen Tätigkeit. Für sie war es schön, über die Ehrenamtspauschale auch eine kleine finanzielle Anerkennung zu erhalten, da man als Ergotherapeut/in keine Ausbildungsvergütung erhält. Auch wenn sie ihre Tätigkeit für einen Auslandsaufenthalt und die Geburt ihrer Tochter unterbrach kam sie immer wieder „zu uns zurück“ so berichtet Honorata Martinus, Leiterin der OBA der Lebenshilfe. So war es auch mit Jonas, der heute 14 Jahre alt ist. Vor zehn Jahren erfuhr Jonas Mutter von Verena Amanns Tätigkeit bei einer anderen Familie. Daraufhin nahm sie Kontakt mit ihr auf und wurde dann an den FUD weitervermittelt. Seitdem ist Verena Amann festes Mitglied in Jonas‘ Familie. „Auch wenn sie zwei Jahre nicht zu uns kam, ist die Beziehung zwischen Jonas und Verena Amann etwas Besonderes“ so Jonas Mutter. „Der Kontakt mit jemand anderem – außerhalb der Familie – tut Menschen mit einer Einschränkung besonders gut.“ Denn oft fällt es nicht leicht, Freundschaften in der Schule oder im Kindergarten zu knüpfen. Eine verlässliche Person, die kommt „wenn Not am Mann ist, die Ferien überbrückt werden müssen“ das ist Verena Amann für Jonas und seine Familie. Aber sie ist noch viel mehr als das, weil sie sich so lange kennen ist ein tolles Verhältnis zwischen den beiden entstanden. So ist es ganz normal, dass Jonas mit Verena Amann zu ihren Eltern in den Garten zum Plantschen geht. Oder, dass Verena Amann und Jonas bei seiner Oma den Nachmittag verbringen. Beide sind in den jeweils anderen Familien integriert – augenscheinlich ist hier eine Freundschaft entstanden, weit mehr als die Leistung der Pflegekasse.

Was macht das Ehrenamt aus?

Im besten Fall profitieren beide Parteien von der gemeinsamen Freizeitgestaltung. Verena Amann nimmt für ihre Arbeit als Ergotherapeutin einiges mit, denn das Verhältnis ist komplett anders als in einer Praxis, wo der Kontakt zu Eltern, Therapeuten oder Lehrern im Vordergrund steht. Für sie stehen die tollen Erfahrungen und Erlebnisse im Vordergrund, die sie ohne die ehrenamtliche Tätigkeit nicht gemacht oder anders erlebt hätte.

Auch Jonas profitiert von den gemeinsamen Erlebnissen, denn er bestimmt gemeinsam mit Verena Amann, was er an den Tagen mit ihr machen will und so ist es nicht immer nur das Erlebte im Familienumfeld sondern sein eigener Wunsch, der umgesetzt wird.

Maria Siepelt, die David aus ihrer Nachbarschaft begleitet, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Sie kann miterleben, wie sich aus einer Notfallbetreuung eine freundschaftliche, ja sogar familiäre Beziehung entwickelt und sie sieht, wie sich die Entwicklung des Jungen verändert. Zu Beginn konnte David den Weg zu ihr nur telefonierend absolvieren, jetzt läuft er ganz selbstbewusst und selbstständig alleine zu seinem „Mariechen“. Morgens schreibt er ihr gerne eine kurze Nachricht, bevor der Unterricht beginnt, wie eine richtige Freundschaft eben. Davids Mutter kocht für Maria Siepelt mit, wenn sie krank ist. Maria Siepelt hat im Gegenzug eine Patenschaft für die ganze Familie übernommen und kümmert sich auch um die alleinerziehende Mutter, die zu ihrer Arbeit in Vollzeit derzeit eine Ausbildung absolviert. Gabriela Gierig, Davids Mama, meint: „Maria ist das Beste, was uns passieren konnte, wir haben sie so lieb gewonnen, sie ist für mich und David wie eine Mutter oder Großmutter geworden. Wir wollen nicht mehr ohne sie sein und können uns voll aufeinander verlassen.“  Auch hier geht der Effekt weit über die Leistung der Pflegekasse hinaus.

Die OBA und der FUD wünschen sich, dass auch weiterhin Kontakte zwischen zwei Hausständen erlaubt bleiben, so dass die vertrauensvolle Entlastung der Familien wie gewohnt stattfinden und die Freizeitbegleitung auch angeboten werden kann.

Ab März hofft die OBA, dass auch wieder kleine Angebote für die Freizeit stattfinden können, deshalb ist Frau Martinus schon fleißig dabei, Corona-konforme Angebote auszuarbeiten, denn was derzeit am Meisten fehlt ist das sonst proppenvolle Programmheft der OBA.

Haben auch Sie Lust, sich ehrenamtlich zu engagieren? Sie erhalten zu ihrer Aufwandsentschädigung auch viele tolle Erlebnisse und die ein oder andere Freundschaft gratis dazu!

Maria Siepelt mit David – aus einer Notbetreuung wurde ein ganz besonderes Verhältnis.

Maria ist das Beste, was uns passiert ist – so fasst es Davids Mutter zusammen!