Porträt Schwarz Weiß B. Ruf

Abschied für immer

Am 06.04.2020 starb Brigitte Ruf, die Tochter der Gründer der Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V., Marianne und Hans-Peter Ruf.

Als erstes und „leider auch einziges Kind“ (Zitat Hans-Peter Ruf) hinterlässt Brigitte Ruf nun vor allem das Lebenswerk ihrer Eltern, die Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V.

Das Lehrerehepaar Marianne und Hans-Peter Ruf heiratete im April 1954, am 16.06.1955 kam die Tochter Brigitte zur Welt. Im September 1955 wurde den Eltern mitgeteilt, dass ihre Tochter das Down-Syndrom habe. Diese Diagnose jedoch schweißte das Ehepaar Ruf nur umso fester zusammen. „Wir wollten alles daran setzen, dass unserem Kind die Elternliebe und uns unser Kind erhalten bliebe“ so fasste es Hans-Peter Ruf in seinen Erinnerungen später zusammen. 1957 zog die Kleinfamilie nach Schwabach, um dort die Mutter und Großmutter von Marianne Ruf zu unterstützen.

1959 erfuhr die Familie Ruf durch einen Zufall von der Gründung der Bundesvereinigung „Lebenshilfe für das behinderte Kind“ durch Tom Mutters. Im April 1960 nahm Hans-Peter Ruf Kontakt mit betroffenen Eltern aus Nürnberg auf und organisierte im Dezember desselben Jahres im Knauerschulhaus in Nürnberg eine Informationsveranstaltung mit Tom Mutters. Im Januar 1961 wurde dann auch durch die Initiative von Hans-Peter die „Lebenshilfe Nürnberg und Umgebung“ gegründet, in deren Vorstand er gewählt wurde.  Im Dezember 1963 gründete die Familie Ruf mit anderen Familien die „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind Schwabach u. Umgebung e.V.“, da die schulische Begleitung von Kindern aus Schwabach in Nürnberg nicht möglich war. Ab 1963 nahm Hans-Peter Ruf verstärkt Kontakt zu Landtagsabgeordneten auf, um in vielen Gesprächen und mit der Bereitstellung von Materialien die Beratungen zu den Sonderschulgesetzen voranzutreiben. Im Juni 1965 wurden dann endlich die Gesetze verabschiedet und traten zum 01.01.1966 in Kraft. Dadurch war der Weg für eigene Sonderschulklassen geebnet und eine Förderung der Kinder mit Behinderung begann. Marianne Ruf ließ sich zur Sonderschullehrerin weiterbilden. Ein Jahr später besuchte auch Hans-Peter Ruf den „Studienlehrgang“ für Sonderschullehrer, auch wenn er schon seit 1961/1962 an der Sonderschule unterrichtete.

Neben seinen regionalen Tätigkeiten und dem Vereinsvorsitz der Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V. engagierte sich Hans-Peter Ruf auch bayernweit für die Sache der Lebenshilfe und war dort bei der Gründung der Landesvereinigung Bayern federführend tätig.

Die Familie Ruf setzte sich immer für das Wohl von Menschen mit Behinderung ein. Ein wichtiges Ziel dabei war die Betonung des Gedankens der Lebenshilfe als eine Elternvereinigung, die den Eltern an der Basis Hilfestellungen bietet und über das Leben mit Kindern mit Behinderung aufklärt. Die Lebenshilfe in Schwabach und Umgebung stellte mit Hans-Peter Ruf als Gründungsvorsitzendem einen Antrag, eine Schule für geistig Behinderte zu errichten und die Trägerschaft dem gemeinnützigen Verein Lebenshilfe zu übertragen. Diesem Antrag wurde stattgegeben und nun konnte ab September 1968 dort der Schulbetrieb beginnen. Schon mit der Errichtung der neuen Schule war klar, dass das Gebäude für die vielen Klassen zu klein sein würde, weshalb unmittelbar nach dem Einzug schon ein Erweiterungsbau beantragt wurde.

Nachdem die Sonderschulgesetzte erst einmal für Sicherheit in der Schulbildung sorgten, wurde den Eltern im Verein der Lebenshilfe schnell klar, dass sie sich um einen nächsten Schritt nach der Schulbildung kümmern mussten. 1967 wurde in Schwabach der Grundstein für die „Beschützende Werkstätte“ in Forsthof gelegt, um dort eine Arbeitsmöglichkeit für die Menschen mit Behinderung zu schaffen. Zwei Jahre später wurde die Schulvorbereitende Einrichtung ins Leben gerufen, so dass die Förderung schon vor der Schule beginnen konnte, da eine Betreuung in öffentlichen Kindergärten oft nicht möglich war. Die Lebenshilfe in Schwabach und Umgebung wandelte sich von Jahr zu Jahr zu einem immer größeren Elternverein, der bald von der Frühförderung über die Schulvorbereitende Einrichtung, die Sonderschule für geistig Behinderte (heute: Förderzentrum Schwerpunkt geistige Entwicklung) mit Ganztagesbetreuung, einer Werkstatt für Behinderte und einem Wohnheim ein umfassendes Angebot für Familien mit einem behinderten Kind machte. Die Erkenntnis, dass für jeden Lebensabschnitt von Menschen mit geistiger Behinderung passende Angebote vorgehalten werden mussten, ergab sich bei Familie Ruf natürlich durch die Entwicklung der Tochter Brigitte, die nach dem erfolgreichen Besuch der Schule in der Werkstätte und dann sehr viel später auch in der Förderstätte arbeitete.

In seinem Lebenslauf fasst Hans-Peter Ruf sein Engagement und das seiner Frau wie folgt zusammen: „Natürlich hat unser persönliches Schicksal uns zur Arbeit in der Lebenshilfe geführt. Natürlich hat die Arbeit für geistig Behinderte auch unserer eigenen Tochter genützt. Es war und ist für uns ein innerer Zwang, eine Verpflichtung geworden, uns ganz für die geistig Behinderten einzusetzen. Wir sind beide dankbar, daß dieser Einsatz etwas genützt hat.“

So ist mit Brigitte Ruf nun der Mensch verstorben, dessen Geburt den Ausschlag für die Gründung der Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V. gab. Bis 2016 wohnte sie im Marianne-Ruf-Haus der Lebenshilfe in Schwabach und zog dann in ein Pflegeheim nach Windsbach. Dort durfte sie am 06.04.2020 friedlich einschlafen. Die Lebenshilfe Schwabach-Roth e.V. ist sich der Gründungshistorie und des Engagements der Familie Ruf stets bewusst und dankbar dafür. Mit dem gleichen Engagement der Gründerfamilie wollen alle heute ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen dieses Erbe weiter tragen und Partner und Unterstützer von Menschen mit Behinderung sein.

Wegen der derzeitigen Corona-Pandemie war es leider nicht möglich, eine Bestattung im großen Kreis der Lebenshilfe-Familie durchzuführen. In kleinen Gedenkfeiern in den geschlossenen Einrichtungen wird die Lebenshilfe von ihr Abschied nehmen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt mit einer Trauerfeier ihrer zu gedenken.